Die Arbeitswelt hat sich durch die Pandemie drastisch verĂ€ndert, und viele FĂŒhrungskrĂ€fte sorgen sich um den Einfluss von Remote- und hybriden Arbeitsmodellen auf die Unternehmenskultur. Laut einer globalen Studie von Gartner aus dem Jahr 2022 fĂŒhlen sich nur 25% der Remote- oder hybriden Wissensarbeiter mit der Unternehmenskultur ihres Arbeitgebers verbunden (Gartner, 2022). Doch anstatt die Mitarbeiter zurĂŒck ins BĂŒro zu zwingen, sollten wir uns auf neue AnsĂ€tze konzentrieren, um die Verbundenheit der Mitarbeiter zu stĂ€rken und eine starke Unternehmenskultur aufzubauen.
Alexia Cambon, Forschungsdirektorin bei Gartner, erklĂ€rt: âIch finde es ironisch, wenn FĂŒhrungskrĂ€fte sagen, sie mĂŒssten Mitarbeiter zurĂŒck ins BĂŒro holen wegen der Kultur. Sie werden genau das Gegenteil von dem bekommen, was sie erhoffenâ (Gartner, 2022). Statt die hybride Arbeit als Störung der kulturellen Erfahrung zu betrachten, sollten FĂŒhrungskrĂ€fte sie als Chance sehen, die Kultur anders aufzubauen. Dabei sollten sie sich auf zwei Aspekte der Kultur konzentrieren: Ausrichtung (die Mitarbeiter kennen und akzeptieren die Kultur) und Verbundenheit (sie identifizieren sich mit der Kultur und schĂ€tzen sie).
Laut der Gartner-Studie sind Mitarbeiter mit "radikaler FlexibilitĂ€t" (groĂe Freiheit bei Ort, Zeitplan, Arbeitsumfang, Team und Projekten) zu 53% stĂ€rker verbunden, wĂ€hrend nur 18% der Mitarbeiter mit geringer FlexibilitĂ€t eine hohe Verbundenheit aufweisen (Gartner, 2022). Die Studie zeigt auch, dass stĂ€rker verbundene Mitarbeiter eine um 37% höhere Leistung erbringen und zu 36% eher im Unternehmen bleiben (Gartner, 2022).
Mitarbeiter erleben Kultur anders in einem hybriden Arbeitsumfeld! BĂŒrorĂ€ume und das Treffen von Angesicht zu Angesicht waren seit jeher der Standard, um die NĂ€he zwischen Mitarbeitern zu fördern. Die hybride Arbeitswelt hat diese Situation völlig verĂ€ndert und damit eine LĂŒcke geschaffen, die FĂŒhrungskrĂ€fte fĂŒllen mĂŒssen, denn 76 % der BeschĂ€ftigten geben an, dass die Unternehmenskultur fĂŒr sie wichtig ist, um um in ihrem Job effektiv zu sein. Die StĂ€rkung der kulturellen Verbundenheit als "Connectedness by Intention" (siehe unten) ist daher der SchlĂŒssel fĂŒr einen erfolgreichen und nachhaltigen hybriden Arbeitsplatz:
Quelle: Gartner, 2023
Anstatt die Unternehmenskultur ĂŒber das BĂŒro zu verbreiten, sollten FĂŒhrungskrĂ€fte sicherstellen, dass die Kultur in den tĂ€glichen Aufgaben der Mitarbeiter sichtbar ist. Cambon erklĂ€rt: âJedes Mal, wenn Sie sich mit einer Aufgabe beschĂ€ftigen, sollten Sie die Unternehmenskultur darin widerspiegeln sehenâ (Gartner, 2022). Das bedeutet, dass Arbeitsprozesse ĂŒberprĂŒft und gegebenenfalls angepasst werden sollten, um sie mit der gewĂŒnschten Kultur in Einklang zu bringen.
Laut Gartner verwechseln viele die Bedeutung von physischer NĂ€he mit der wichtigeren emotionalen NĂ€he. Emotionale NĂ€he im Sinne der "Connectedness" bedeutet, dass Mitarbeiter sich wertgeschĂ€tzt und gesehen fĂŒhlen, was einen stĂ€rkeren Einfluss auf die Verbundenheit zur Unternehmenskultur hat. Eine Umfrage ergab, dass emotionale NĂ€he die Verbundenheit der Mitarbeiter zur Unternehmenskultur um 27 % erhöht, wĂ€hrend physische NĂ€he keinen Einfluss hatte (Gartner, 2022). Zufolge Gartner basierte die Verbundenheit klassischer Organisationen mit ausgeprĂ€gter PrĂ€senzkultur besonders auf Osmose durch schiere Anwesenheit im BĂŒro. Da dies heute nicht mehr ĂŒberall gĂ€ngig ist, besteht die Erfordernis Kultur neu zu denken; zu erleben. Dies basiert heute stĂ€rker auf emotionaler Ebene, als auf der physikalischen (Beispiel: ZufĂ€lliges Treffen an der Kaffeemaschine oder am Wasserspender).
Mit der hybriden Arbeit mĂŒssen Unternehmen den Fokus darauf legen, sowohl eine starke Unternehmenskultur als auch lokale Mikrokulturen zu entwickeln. Eine Umfrage von Gartner zeigte, dass teambasierte Erfahrungen die Verbundenheit der Mitarbeiter wesentlich stĂ€rker erhöhen als unternehmensweite Initiativen (Gartner, 2022). Unternehmen wie Royal DSM behandeln ihre Kultur als Flotte von unabhĂ€ngig gesteuerten Schiffen, wobei jedes Schiff seine eigenen Normen und Verhaltensweisen entwickelt, die jedoch in die gleiche Richtung gesteuert werden (Gartner, 2022).
Eine Studie von 2.000 FĂŒhrungskrĂ€ften und Mitarbeitern schnell wachsender Start-ups hat gezeigt, dass die besten hybriden und Remote-Organisationen agil und anpassungsfĂ€hig sind, problemlos mit global verteilten Kollegen zusammenarbeiten, WiderstandsfĂ€higkeit und Wohlbefinden als Teamverantwortung betrachten und Meetings nur nach Erschöpfung klassischer asynchroner Zusammenarbeit abhalten (Harvard Business Review, 2023). Diese Organisationen setzen auf "Co-Elevation", bei dem Teams sich verpflichten, gemeinsam zu wachsen und zusammen erfolgreich zu sein.
Um die Verbundenheit und das ZusammengehörigkeitsgefĂŒhl in hybriden und Remote-Arbeitsumgebungen zu stĂ€rken, sollten Unternehmen gezielt digitale und hybride Praktiken einfĂŒhren, um Beziehungen aufzubauen und zu erhalten. Beispielsweise haben Unternehmen wie Dropbox und Mindbloom (Gewinner des Tony Hsieh Award 2022 fĂŒr radikale Innovation im Bereich Humankapital) ihre Beziehungskompetenz von durchschnittlich 2,8 auf einer FĂŒnf-Punkte-Skala auf 4,4 verbessert, indem sie sich fĂŒr den Einsatz neuer Tools und Praktiken entschieden haben (Harvard Business Review, 2023).
Zu den wirksamen Praktiken in diesem Umfeld gehört beispielsweise der regelmĂ€Ăige "Energy Check-In", bei dem Teammitglieder ihre aktuelle Energie und Stimmung zum Auftakt eines Meetings teilen, um bewusst die emotionale Seite der Arbeit hervorzuheben und Empathie zu entwickeln. Eine weitere Methode ist das monatliche "Sweet and Sour" Meeting, bei dem jedes Teammitglied etwas Positives und etwas Negatives aus seinem Leben teilt, um Vertrauen und AuthentizitĂ€t innerhalb des Teams zu fördern (Harvard Business Review, 2023).
Die Zusammenarbeit sollte nicht nur auf Meetings beschrĂ€nkt sein, sondern auf verschiedenen Ebenen stattfinden, wie z.B. asynchrone Zusammenarbeit, Remote-Zusammenarbeit, hybride Meetings und persönliche Treffen. Jede dieser Ebenen sollte gezielt fĂŒr den jeweiligen Zweck entwickelt werden, um eine effektive Zusammenarbeit und höhere psychologische Sicherheit zu gewĂ€hrleisten (Harvard Business Review, 2023).
Insgesamt sollten Unternehmen erkennen, dass sie ihre Arbeitsweise Ă€ndern mĂŒssen, um den verĂ€nderten Anforderungen gerecht zu werden. Die Pandemie hat die Art und Weise, wie Mitarbeiter die Unternehmenskultur erleben, grundlegend verĂ€ndert, und Unternehmen mĂŒssen sich dieser neuen RealitĂ€t anpassen. Indem FĂŒhrungskrĂ€fte weniger auf "Osmose" durch schiere Anwesenheit im BĂŒro und mehr auf gezielte MaĂnahmen setzen, um Verbundenheit zu fördern, können sie eine weitaus gröĂere Wirkung auf Leistung und Bindung der Mitarbeiter erzielen. Im Zeitalter der hybriden Arbeit ist es entscheidend, neue Wege der Begegnung zu entwickeln, um die eigene Unternehmenskultur zu stĂ€rken und die Unternehmensbindung der Mitarbeiter zu fördern.
Referenzen
Gartner (2022). How to Build a Strong Organizational Culture â And Why You Must Do It Now
Gartner (2023). Culture and Leadership in a Hybrid World
Harvard Business Review (2023). Revitalizing Culture in the World of Hybrid Work
GrĂŒĂe, Tim